Alberto Ferro: Interview

Alberto Ferro

Der Sizilianer Alberto Ferro (Jahrgang 1996) ist noch ein sehr junger Pianist, hat aber bereits mehrere renommierte Preise und Wettbewerbe gewonnen, darunter den Beethoven-, den Haydn- und den Königin-Elisabeth-Wettbewerb. Seine Konzertauftritte finden in verschiedenen Teilen der Welt und auf den berühmtesten Bühnen statt, sei es im Herkulessaal in München, im Tschaikowsky-Konservatorium in Moskau, in der Nationalphilharmonie in Warschau, im Palast der katalanischen Musik in Barcelona, im Königlichen Konservatorium in Brüssel, im Theater La Fenice in Venedig, wo er unter der Leitung von berühmten Dirigenten wie Arvo Volmer, Dirk Kaftan, Heribert Beissel, Günter Neuhold, Paul Meyer, Thierry Fischer, Marin Alsop, Christian Zacharias und vielen anderen auftritt. Der junge Interpret gewann auch schon mehrfach den Publikumspreis, vor allem für seine originelle Darbietung bekannter klassischer Werke. Bald kommt er wieder nach München, um am 28. Oktober 2023 sein einziges Konzert im Gasteig zu geben. Wir sprachen mit ihm darüber in einem exklusiven Interview. 

Wie begann Ihre Annäherung an klassische Musik? Wie haben Sie angefangen, ein Instrument zu spielen?

Ich war fünf Jahre alt, als meine Mutter mich mit der klassischen Musik vertraut gemacht hat. Sie war selbst Pianistin. Als Kind saß ich gerne vor dem Instrument und das Drücken der Klaviertasten war für mich ein Spiel. Erst später gewann das eine ganz andere Bedeutung, nämlich als ich einen richtigen Lehrer hatte, Professor Epifanio Comis am Musikkonservatorium in Catania. Mit ihm und einigen anderen habe ich meine Leidenschaft für die Musik entdeckt. So beschloss ich, mein Leben als Klavierspieler fortzusetzen. Mein erstes Konzert spielte im Alter von 11. Seitdem habe ich aufgehört, meine Auftritte zu zählen. Wie viele Konzerte habe ich bisher gespielt? Vielleicht 300-400…

 

Wie haben Sie das Musizierens in jungen Jahren erlebt? Ich meine damit vor allem den Prozess, als Kind stundenlang vor dem Instrument zu sitzen und zu üben. Wie hat sich Ihre Einstellung heute verändert?

Es war nicht immer einfach, ich habe mich bemüht. Als ich jünger war, habe ich viel geübt, um meine Technik zu entwickeln. Jetzt konzentriere ich mich viel mehr auf die Interpretation, Qualität des Klangs und die musikalische Sensibilität. Mit zunehmendem Alter verstehe ich die Musik anders. Jetzt ist es für mich das wichtigste, die Ausdruckskraft, meine Vorstellungen und Gefühle auf die Zuhörer zu übertragen. Ich hoffe, mit zunehmender Erfahrung gelingt es mir immer besser. 

 

Wie organisieren Sie sich und in welchem Zustand befinden Sie sich, wenn Sie ein Konzert spielen müssen? 

Über meine Fähigkeit, mich auf etwas voll und ganz zu konzentrieren, kann ich mich nicht beklagen. Aber vor einem Konzert ist mein Fokus sozusagen manisch. Auftritte heißen für mich, mich in eine andere Welt zu versetzen. Wenn ich die Bühne betrete, denke ich nur an Musik und versuche, dem Publikum meine Gefühle zu vermitteln.

 

Ich kann mir vorstellen, dass Berufsmusiker alle Werke mit einem großartigen Ansatz und dementsprechend brillanten Ergebnissen spielen können. Aber gibt es Klavierstücke, die Sie am liebsten spielen?

Ich denke, am liebsten spiele ich Beethoven oder russische Komponisten. Beethovens Musik schätze ich für den klassischen Stil und das Temperament, Chopin liebe ich für seine Phrasierung und die Schönheit der Melodien, Rachmaninows Werke haben eine gewisse Melancholie und eine unglaubliche Ausdruckskraft. Aber ich fühle mich auch sehr wohl, zeitgenössische Kompositionen aufzuführen. 

 

Italiener – besonders Sizilianer – sind bekannt für ihre Musikalität. Sie selbst wurden im italienischen Süden, auf Sizilien, geboren, sind dort aufgewachsen und haben dort studiert. Was können Sie über diese Region in Bezug auf die musikalische Ausbildung und Karriere sagen?

Ich denke, dass klassische Musik in allen Regionen Italiens sehr beliebt ist. Der einzige Unterschied zwischen Norden und Süden ist, dass die Musik des Südens sehr stark von der Folklore geprägt ist, die Musikalität des Südens empfinde ich auch etwas intensiver. Was die Ausbildung betrifft, kann ich sie nur loben. Ich habe das Konservatorium „Vincenzo Bellini“ in Catania besucht und meine Ausbildung dort abgeschlossen und eine der besten Klaviertraditionen Italiens kennengelernt. 

 

Was haben Sie für Ihre Musik aus dieser Region mitgenommen?

Zwar komme ich aus Sizilien, aber ich fühle mich eigentlich als Weltbürger. Ich lerne überall, wo ich es nur kann. Die musikalische Prägung hängt für mich nur von den Lehrern und Mentoren ab und ist nicht unbedingt mit den Orten verbunden. Ich habe an vielen Meisterkursen mit vielen berühmten Pianisten, wie Jörg Demus, Joaquín Achúcarro und Vladimir Ashkenazy teilgenommen. Also habe ich eher von diesen Meistern gelernt als etwas aus meiner Region mitgenommen. Meine Lieblingsinterpreten sind Vladimir Horowitz, Arthur Rubinstein und Benedetti Michelangeli. Unter ihnen bevorzuge ich Horowitz wegen seiner ganz besonderen Art, jede Note zu „singen“, aber ich finde, dass jeder von ihnen seinen eigenen Stil hat. 

 

Wie definieren Sie Ihren eigenen Stil?

Das Wichtigste für mich ist die Eleganz, aber auch die originelle Interpretation. Ich versuche, die Partitur zu respektieren, dennoch versuche ich auch gleichzeitig, etwas von mir hinzuzufügen, etwas, was meinen Auftritt ungewöhnlicher als bei anderen machen könnte.

 

Was erwarten Sie vom Publikum während der Aufführung?

Ich erwarte, dass die Konzertbesucher meiner Darbietung aufmerksam zuhören und dabei verstehen, was ich durch meine Interpretation ausdrücken möchte. Die deutschen Zuhörer gehören für mich zu den besten, die ich je erlebt habe! Sie interessieren sich sehr für klassische Musik und Kultur, sie sind belesen, sensibel, aufmerksam! Deshalb komme ich immer gerne nach Deutschland. 

 

Wie konkurrenzfähig ist die Tätigkeit eines Klavierspielers heute? Wie überlebt man in diesem Bereich?

Dieses Feld ist wettbewerbsintensiv. Ich denke, um als klassischer Musiker zu überleben, sollte man einige sehr renommierte Wettbewerbe gewinnen, die einem die Möglichkeit geben, Teil des Systems werden, von bekannten Künstleragenturen vertreten zu sein, die für Konzerte und eine stabile Karriere sorgen werden. 

 

Seit wann erhalten Sie Auszeichnungen und auf welche sind Sie besonders stolz?

Meine erste Aufzeichnung bekam ich 2007. Da war ich gerade 11 Jahre alt. Seitdem habe ich an vielen Wettbewerben teilgenommen. Besonders stolz bin ich darauf, Preisträger der Concours Reine Elisabeth in Brüssel, dem Ferruccio Busoni International Piano Competition in Bolzano,  dem Internationalen Beethoven-Klavierwettbewerb in Bonn, der Arthur Rubinstein International Piano Master Competition und dem spanischen Premio “Jaén” zu sein. 

 

Was bedeutet Erfolg für Sie?

Erfolg bedeutet für mich, das zu machen, was ich jetzt gerne tue: In der Öffentlichkeit aufzutreten. 

 

Woran arbeiten Sie gerade? Nach welchen Verbesserungen und Herausforderungen suchen Sie?

Im Moment arbeite ich daran, mein Repertoire zu erweitern, indem ich Kompositionen entdecke, die für mich neu sind, beispielsweise spanische Musik, impressionistische und dodekaphonische Werke. Meine Herausforderung besteht zurzeit darin, die Konzentration aufrechtzuerhalten, während ich einige sehr lange Kompositionen von beispielsweise 40-50 Minuten spiele.

 

Sie sind erst 27, aber lehren bereits Klavier am Musikkonservatorium in Palermo. Ist es selten in Italien, dass man in so jungem Alter zum Professor ernannt wird?

Es war ja früher so, aber seit etwa zehn Jahren kann man in Italien ab dem 18. Lebensjahr unterrichten. Ich unterrichte in Palermo bereits seit drei Jahren und ich finde, das ist eine tolle Neuerung. Die älteren Professoren haben natürlich langjährige Routine, viel Wissen und Erfahrung sowie ein hohes Maß an technischen Fähigkeiten, aber vielleicht kann ein junger Professor manchmal mehr Begeisterung für das Fach wecken. 

 

Können wir über das Programm Ihres Konzerts in München sprechen? Was hat Ihre Entscheidungen bestimmt?

Ich werde Werke von Beethoven, Debussy und Rachmaninoff spielen. Ein Recital dauert in der Regel eine Stunde, daher wollte ich, verschiedene Komponisten zu wählen, um dem Zuhörer in dieser kurzen Zeit die Möglichkeit zu geben, verschiedene Epochen und Stile zu hören, unterschiedliche Emotionen zu erleben und die Vielfalt der klassischen Musik zu genießen.

Interview führte Tatiana Rosenstein

 

Konzertkarten zu der Veranstaltung können bei München Ticket erworben werden

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